Wabi Sabi – Warum dich Unvollkommenheit erst schön macht

10. Mai 2016

Wie mir die Lehre Wabi-Sabi einen neuen Blickwinkel schenkte

Ein Hoch auf Wabi-Sabi – ich liebe es! Die grüne scharfe Sushi-Paste, fragst du dich? Nein! Die heißt Wasabi 😉 Wabi-Sabi ist eine Lehre über die Schönheit des Unvollkommenen.

Mir eröffnet sie einen neuen Blickwinkel, der mir die Möglichkeit gibt, mich selbst besser anzunehmen und in meiner Einzigartigkeit, mit all meinen Fehlern und Schwächen, schön zu finden.

Was Wabi-Sabi ist

Wabi-Sabi kommt aus Japan und ist ein Konzept der Wahrnehmung von Schönheit. Eine bestimmte Art und Weise, Dinge wahrzunehmen. In Japan ist sie das wesentliche Merkmal der traditionellen Schönheit.

„Wabi-Sabi nährt alles, was authentisch ist, da es drei einfache Wahrheiten anerkennt: nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt.“
– Richard R. Powell (Autor von wabi-sabi simple)

Wabi-Sabi findet Schönheit in der Vergänglichkeit
In allem, was unbeständig, unvollkommen und unperfekt ist. In dieser Lehre gibt es kein Unvollkommen, weil in ihr lediglich Gott vollkommen ist.

Wabi-Sabi findet Schönheit auch in der Einfachheit
Im wesentlichen Kern der Dinge. Im schlichten So-sein, wie sie sind. Sie braucht kein Tamm Tamm drum herum, um aufzuhübschen, zu verschönern oder Unperfektes zu verschleiern und damit eine Schönheit oder Vollkommenheit vorzutäuschen.

Warum die Gesellschaft verantwortlich dafür ist, das wir das Schönheitsverständnis von Wabi-Sabi nicht teilen

Das Schönheitsverständnis von Wabi-Sabi liegt in den Spuren der Vergänglichkeit. Im Vergehen und Verfall. In Fehlern und Makeln. In der Schlichtheit und Einfachheit. In der lautlosen Präsenz des Lebens, die durch Unauffälligkeit besticht.

Das ist nicht schön, sagst du?

Nein, das sagt die Gesellschaft.

Sie lebt uns durch die Medien und Schönheitsideale ein Schönheitsverständnis vor, das von Perfektion und Makellosigkeit geprägt ist. Und wir lassen uns beeinflussen. Wir folgen der breiten Masse und schließen uns diesem Glauben an.

Aber hat die Gesellschaft Recht, nur weil die Mehrheit sich dieses Schönheitsverständnis anerzogen lassen hat?

Wer sagt, dass die Blume nur in ihrer vollen Blüte schön ist? Was ist mit der Knospe, die nötig ist, um die Blüte wachsen zu lassen? Was ist mit dem Verfall der Blüte, die nötig ist, um die Erde zu düngen und durch die die Pflanze wieder Kraft tanken kann für eine neue Blüte?

Jede Phase gehört zum Kreislauf des Lebens. Liegt daher nicht in allem eine Schönheit?

Perfekt vs. unperfekt – Wabi-Sabi bildlich erklärt

Stell dir vor du vergleichst Perfektem mit Unperfektem:

Ist Perfektion nicht langweilig?
Kopierbar und leblos. Ein Ding gleicht dem anderen, als eines von vielen und nicht zu unterscheiden?

Und ist perfekt nicht kalt?
Sterile Gärten mit kurzem Kunstrasen und ebenmäßig geschnittenen Büschen – strahlen diese eine willkommen-heißende Wärme aus?

Ist es nicht der Garten mit der Fülle an Blumen, dem alten, schief gewachsenen Baum und ein paar Blättern auf der Wiese, was dich wärmend einlädt und empfängt, wenn du ihn betrittst?

Ist es das makellos unbenutzte Buch mit deiner Lieblingsgeschichte, das dich anzieht, oder das drei Mal gelesene Buch, dessen Spuren die Nächte zeigen, in denen du unaufhörlich gelesen hast? In denen du noch die Spannung und Emotionen fühlst, die du beim Lesen durchlebt hast?

Ist das scheinbar Perfekte nicht einschüchternd?
Weil du selbst nicht perfekt bist und dich in Perfektion gar nicht wiederfindest?

Lieben wir nicht die Schwächen an einem Menschen und bewundern ihn lediglich für seine Stärken? Würde dieser Mensch perfekt sein, würde dir nicht irgendetwas fehlen? Willst du nicht  – statt glattgebügelt und korrekt – einen Menschen mit Ecken und Kanten, die ihn echt, authentisch und gerade deswegen liebenswert machen?

Nur das Unperfekte ist Einzigartig.
Es erzählt Geschichten. Jene, die sich nur ein einziges Mal genau so zugetragen haben.

Unperfekt ist lebendig, gezeichnet und charismatisch.
Es strahlt Gefühl und Wärme aus und findet eine Verbindung zu dir, weil auch du unperfekt, gelebt und gezeichnet bist.

Und wo in der Natur gibt es Perfektion?
Ist nicht alles irgendwie ein wenig schief und schräg? Und ist nicht genau das, was den Baum, die Blume oder im Ganzen den Wald ausmacht?

Und ist es nicht das, was auch uns ausmacht?

„Nichts in diesem Universum ist perfekt. Denn Perfektion bedeutet das Ende allen Wachstums.“ – Alan W. Watts

Wo hat sich die Gesellschaft bitte ihren Sinn für Schönheit abgeguckt?

Was mich Wabi-Sabi lehrt

In den meisten von uns steckt der Drang, sich mit anderen zu vergleichen und gegen seine Fehler und Schwächen anzukämpfen, anstatt sie zu akzeptieren und als Teil von sich anzusehen. Weil wir, wie schon oben erwähnt, dazu erzogen werden, perfekt sein zu müssen. Makellos zu sein, um bestehen zu können und anerkannt zu werden.

Mir eröffnet sich dir durch Wabi-Sabi ein neuer Blickwinkel, mit dem ich mich besser annehmen und wertschätzen kann.

  • Wabi-Sabi lehrt mich, meine Unvollkommenheit anzunehmen.

Sie lehrt mich, Fehler machen zu dürfen. Auch wenn ich bestrebt bin, keine Fehler zu machen, kann ich sie mir durch diese Sichtweise verzeihen. Wir sind hier, um zu lernen und zum Lernen gehört dazu, Fehler zu machen. Das ist völlig okay. Ich brauche mich deswegen nicht zu verurteilen oder schlecht zu fühlen. Ohne Fehler ist Wachstum nicht möglich.

  • Wabi-Sabi lehrt mich, meine Unperfektheit anzunehmen.

Sie lehrt mich, zuzulassen, dass ich Ecken, Kanten und Schwächen habe und mich genau diese auszeichnen. Dass ich dadurch charismatisch, authentisch und echt bin. Natürlich möchte ich an meinen Schwächen arbeiten und das ist auch wichtig für meinen Lebensweg, aber ich bin ein Mensch. Ich darf Schwächen haben und sollte lernen, sie als Teil von mir zu akzeptieren. So paradox das klingt, machen sie mich vollkommen – als Gegenstück zu meinen Stärken.

  • Wabi-Sabi lehrt mich, meine Unbeständigkeit anzunehmen. Meine Vergänglichkeit

Sie lehrt mich, altern zu dürfen. Auch wenn ich bestrebt bin, auf mein Äußeres zu achten, verzeihe ich mir, dass ich keinem Ideal entspreche und dass mich die Lebensjahre zeichnen. Ich muss mich nicht verjüngen oder übermäßig verschönern. Durch die Lehre erkenne ich, dass mir die Spuren beweisen, dass ich lebendig bin und das wunderbare Leben am eigenen Körper erfahre. Dass genau das Schönheit ausmacht: das Leben, dass sich dadurch in mir zeigt.

Durch diesen neuen Blickwinkel gewinnt mein Leben an Leichtigkeit.

  • Es verliert an Idealen, die mich unzufrieden machen, weil ich sie nicht erreiche.
  • Es verliert an Druck, die Ideale in mir auslösen.
  • Es verliert an Schwere, die Druck auslöst.
  • Es verliert an Fehlern, die durch Druck entstehen.
  • Es verliert an Selbstverurteilung, die Fehler zur Folge haben.

Ich gewinne eine Freiheit, in der ich meine Flügel unbeschämt ausbreiten und fliegen kann.

Wabi-Sabi lehrt die Schönheit des Lebens

Mir gefällt die Lehre von Wabi-Sabi besonders gut, weil sie dazu einlädt, eine neue Wertschätzung dem Leben und sich selbst entgegenzubringen.

Man kann eine andere Schönheit entdecken als die, die man uns vorlebt und vortäuscht. Diese Schönheit definiert sich aus dem Wert, den das Leben jeden Dingen beimisst. Aus dem Leben selbst, das einfach das ist, was es ist: unvollkommen, unbeständig und unperfekt, einfach und wesentlich – und gerade deshalb wunderschön.

Deswegen: lebe und feiere dich in deiner Unperfektheit.
Du bist einzigartig und wunderschön! 🙂

Wie gefällt dir die Philosophie Wabi-Sabi? Wie gehst du mit deiner Unvollkommenheit um?


Bücher über Wabi-Sabi

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