Was ist Hochsensibilität?
Jeder Mensch besitzt ein gewisses Maß an Sensibilität. Damit ist die Fähigkeit gemeint, Informationen aus der Umwelt wahrzunehmen, als auch zu verarbeiten. Nach bisherigen Erkenntnissen existiert ein geringer Anteil an Menschen, dessen Nervensystem besonders sensibel auf äußere wie innere Reize reagiert und diese auch besonders gründlich verarbeitet. Diese Menschen gehören zur Gruppe der Hochsensiblen.
Die amerikanische Psychologin Dr. Elaine Aron begann 1993 erstmalig mit der Erforschung von Hochsensibilität und hat im Kern vier wesentliche Merkmale festgestellt, die hochsensible Personen (kurz: HSP) aufweisen:

1. Hohe und intensive Reizwahrnehmung
Durch die niedrige Wahrnehmungsschwelle nehmen HSP äußere Reize, wie Gerüche, Geräusche oder Stimmungen, aber auch innere Reize, wie Gefühle und Empfindungen, frühzeitig und intensiv wahr.

2. Tiefe Verarbeitung dieser Reize
Die Reizverarbeitung im Inneren erfolgt gründlicher. Das kann sich darin zeigen, dass bei HSP Gefühle länger spürbar sind oder Gedanken länger um ein Thema kreisen.

3. Schnelle Überreizung des Nervensystems
Durch die hohe Reizaufnahme und intensive Reizverarbeitung ist das Nervensystem von HSP schneller ausgelastet und überfordert. Anzeichen dafür sind z. B. leichte Erschöpfung oder Reizbarkeit.

4. Hohe Emotionalität und großes Mitgefühl
Durch die hohe Wahrnehmung fühlen und leiden HSP schneller mit anderen Lebewesen mit. Sie sind zudem von äußeren Einflüssen – positiv wie negativ – schnell emotional berührt.
Ursachen und Erforschung von Hochsensibilität
Hochsensibilität hat verschiedene Ursachen. Zum einen ist sie durch Gene bedingt. Forschungen über die pränatale Entwicklung haben gezeigt, dass einige Embryos empfindlicher auf Geräusche sowie auf den psychischen wie körperlichen Stress ihrer Mutter reagierten. Die Erziehung, die ein Kind erfährt, als auch die Umwelt, in der es aufwächst, prägt zusätzlich die Entwicklung der Hochsensibilität. Ebenso können traumatische Ereignisse eine Hochsensibilität auslösen oder verstärken.
Die Forschung zum Thema Hochsensibilität steckt noch immer in den Kinderschuhen, dennoch wird weiter intensiv an dem Thema geforscht, in Deutschland zum Beispiel an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Durch die Forschung findet die Hochsensibilität – mitsamt den (Leidens-)Merkmalen, die HSP oft aufweisen – in der Gesellschaft, Therapie und Medizin immer mehr Anerkennung und Berücksichtigung.
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Licht- und Schattenseiten
Hochsensibilität zeigt sich in ihrer Ausprägung unterschiedlich und hat Licht- und Schattenseiten. Einerseits zeigt sie sich in einem hohen Einfühlungs- und damit Bindungsvermögen, dem intensiven Erleben schöner Momente oder einer hohe Kreativität.
Andererseits führt sie zu einer leichten Anfälligkeit für Überstimulation und Stress sowie einer erhöhten emotionalen Verletzbarkeit. Dadurch ergeben sich für HSP im Alltag und in zwischenmenschlichen Beziehungen besondere Herausforderungen.
Hochsensible Menschen sind in der Minderheit mit ca. 15-20% nach bisherigen Erkenntnissen. HSP fühlen sich daher oft fremd in der Gesellschaft, fehlerhaft und inkompatibel mit den Menschen und den vorherrschenden Systemen. Sie bemühen sich meist um Anpassung, jedoch oft ohne den erwünschten Erfolg. Vielmehr steigt ihr innerer Druck, Frust und Stress, weil sie auf eine Weise funktionieren wollen, die ihrem Wesenstyp nicht entspricht.
Bei langanhaltendem (emotionalen) Stress sind psychische Erkrankungen wie Depression, Angstzustände oder Burnout häufige Folgen.
Für HSP ist es daher wichtig
- die eigene Hochsensibilität anerkennen und schätzen zu lernen
- ein hohes Selbstvertrauen zu entwickeln, um den eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden
- ein gutes Selbstmanagement zu lernen, um das hohe Wahrnehmungserleben auf ein gesundes und wohltuendes Maß regulieren zu können.
Wenn HSP einen bewussten Umgang mit ihrer Hochsensibilität erlernen und eine gute Selbstfürsorge betreiben, können sie ihre Gesundheit bewahren und ihre Hochsensibilität als bereichernde Gabe erleben.
Mögliche Lernaufgaben für HSP
- Bei sich selbst bleiben. Und damit einhergehend herausfinden: Wer bin ich? Was sind meine Bedürfnisse? Was brauche ich, damit es mir gut geht?
- Reizüberflutung vorbeugen. Ein Gespür für Überreizung entwickeln und gesunde Strategien lernen, um das Nervensystem zu stärken und beruhigen.
- Grenzen setzen. Ein Gespür für die eigenen Grenzen entwickeln und Verantwortung für sie tragen.
- Intuition spüren und achten. Bei vielen HSP überwiegt der Verstand, wodurch sie oft Fehlentscheidungen treffen. Nur Kopf UND Herz können zu wahrhaft guten Entscheidungen für den Einzelnen führen.
- Entscheidungen treffen. Viele HSP sind aufgrund ihrer komplexen Denkvorgänge und vielfältigen Interessen sehr ambivalent. Was brauche ich wirklich und was ist mein (stimmiges) Ziel? gilt es herauszufinden.
- Offenheit für andere Wahrnehmungen und Sichtweisen. HSP denken oft, dass ihre Wahrnehmung die einzig richtige ist. Dadurch entstehen oft Konflikte und Wut auf andere. Diese können reduziert werden, je mehr Offenheit, Verständnis und Austausch gegeben ist.
- Zurückhaltung üben im Aussprechen der eigenen Wahrnehmung. HSP merken oft, dass etwas nicht stimmt oder wenn jemand nicht ehrlich ist. Doch nicht immer ist es angebracht und sinnvoll, das auszusprechen.
- Ruhezeiten erlauben. Die leichte Überreizbarkeit führt zu einem hohen Rückzugsbedürfnis, das sich HSP oft nicht erlauben. Es ist jedoch essentiell für ihre Gesundheit.
- Sich wertvoll fühlen. den Wert des eigenen Wesens erkennen und sich wieder vertrauen lernen.
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