Warum du bestimmst, welche Erfahrungen du machst

5. November 2017

Welche Erfahrungen du in deinem Leben machst, entscheidest du ganz alleine. Niemand außer dir ist dafür verantwortlich. Kannst du mir da zustimmen oder macht sich bei diesen Worten in dir ein innerer Widerstand bemerkbar? Wie kann ich so etwas behaupten? Ist es nicht offensichtlich, dass die einen mehr Glück haben als die anderen? Dass die einen mehr Chancen haben als die anderen? Dass die einen bevorzugter behandelt werden als andere? Wie kann ich davon sprechen, dass man sich die Erfahrungen selbst aussucht?

Lass es mich an einem Beispiel erklären:

Ein mittlerweile erwachsener Mann wuchs bei seinem alkoholabhängigen und gewalttätigen Vater auf. Sie lebten in einer Sozialwohnung. Der Vater war arbeitslos. Liebe hat dieser Junge zuhause nie erfahren.

Heute ist dieser Junge ein liebevoller und fürsorglicher Familienvater, ist Architekt und wohnt in einem kleinen Haus am Rande der Stadt.

Wenn jemand seine Geschichte hört, bewundern ihn die Menschen oft für das, was er geschafft hat. Daraufhin äußert er nur:

Was hätte ich mit meiner Familiengeschichte anderes werden können als das, was ich jetzt bin?

Gleicher Hintergrund, anderer Mann.

Dieser Mann wuchs ebenfalls bei seinem alkoholabhängigen und gewalttätigen Vater auf. Sie lebten in einer Sozialwohnung und der Vater war arbeitslos.

Heute ist dieser Mann ein alkoholabhängiger und gewalttätiger Familienvater. Er wohnt in einer Sozialwohnung und ist arbeitslos. Sein Sohn erfährt von ihm keine Liebe.

Dieser Mann ist der Überzeugung:

Was hätte ich mit meiner Familiengeschichte anderes werden können als das, was ich jetzt bin?

Nicht die Erfahrungen machen uns Menschen, sondern wir Menschen machen unsere Erfahrungen

Was zeigt uns diese Geschichte, die es auf viele Arten in der Welt gibt: Menschen, die aus ein und demselben Erlebnis völlig unterschiedlich hervorgehen?

Dass nicht die Erfahrungen uns zu den Menschen machen, die wir sind, sondern dass wir Menschen entscheiden, welche Erfahrung wir machen möchten.

Viktor Frankl ist ein anderes Beispiel, das zeigt, dass wir Menschen die Qualität unserer Erfahrungen selbst bestimmen. Er hat während des zweiten Weltkrieges im Konzentrationslager gesessen und nach seiner Befreiung ein Buch geschrieben: „ … trotzdem Ja zum Leben sagen“. Frankl hat im Konzentrationslager die Erfahrung gemacht, dass es trotz der unmenschlichen Bedingungen möglich ist, einen Sinn im Leben zu sehen.

Für andere unvorstellbar.

Wie gelingt es aber, die Qualität der Erfahrungen zu beeinflussen?

3 Dinge, die deine Erfahrung beeinflussen

Drei Dinge sind entscheidend dafür, welche Erfahrungen du machst.

1. Worauf richtest du deinen Fokus?

Was nimmst du wahr?

  • Ist das Glas für dich halb voll oder halb leer?
  • Siehst du die neue Chance oder die Niederlage?
  • Nimmst du wahr, was dir gelingt oder was dir nicht gelingt?
  • Erkennst du deine Stärken oder siehst du den Mangel an dir?

2. Welche Bewertung gibst du daraufhin?

Deine Bewertung ist ein wichtiger Bestandteil dafür, welche Qualität deine Erfahrungen haben wird. Was denkst du über das, was du wahrnimmst? Welchen Wert, welche Bedeutung misst du dem bei?

Wenn das Glas für dich halb leer ist, bist du dann deprimiert und fühlst dich ungerecht behandelt, weil es halb leer ist?

Wenn du die Niederlage wahrnimmst, fühlst du dich dann wertlos und schwach – nicht zum Erfolg fähig und berufen?

Wenn du Mangel an dir wahrnimmst, verstehst du ihn als Beweis, wertlos zu sein?

3. Was tust du daraufhin?

Im letzten Schritt stehst du vor der Entscheidung: Was tust du daraufhin? Du hast etwas wahrgenommen. Du hast es bewertet. Und nun? Was tust du? Wenn du erkennst, was dir nicht gelingt, du diesen Umstand dahingehend bewertest, dass du nicht zum Erfolg berufen bist und deinen Traum daraufhin aufgibst, dann entscheidest du dich für eine negative und für deine Entwicklung hinderliche Erfahrung. Wenn du erkennst, was dir nicht gelingt, du diesen Umstand dahingehend bewertest zu erkennen, auf welchem Weg der Erfolg nicht gelingt und daraufhin einen neuen Weg ausprobierst, dann entscheidest du dich für eine positive, für deine Entwicklung hilfreiche Erfahrung.

Welche Erfahrungen willst du machen?

Zu erkennen, dass wir unsere Erfahrungen selbst bestimmen, ermöglicht uns einen ganz neuen Blickwinkel auf die Dinge. Er ermöglicht uns, dass wir fähig werden, uns nicht mehr als Opfer des Schicksals zu sehen, sondern als Schöpfer unseres eigenen Lebens.

Du kannst nicht immer beeinflussen, was dir widerfährt, aber du kannst jederzeit selbst entscheiden, wie du mit dem, was dir widerfährt, umgehen möchtest. Und genau das bestimmt die Qualität deiner Erfahrung.

Entscheidend dafür ist die Frage: Wer willst du sein?
Welcher Mensch willst du sein und welche Erfahrungen willst du machen?

Förderlich für die eigene Zufriedenheit, Gesundheit und persönliche Erfüllung ist die Entscheidung, ein Mensch zu werden, der an seinen Erfahrungen wachsen möchte. Ein Mensch zu werden, der Verantwortung für sein Leben übernehmen möchte. Das gelingt dir, wenn du deinen Fokus auf die Lösung richtest, anstatt auf das Problem. Wenn du lernst, das Gute aus allem was dir wiederfährt zu ziehen. Die Chance und die Möglichkeit wahrnimmst, anstatt das, was dir verwehrt bleibt. Und dann entsprechend handelst. Die Erkenntnis aus dieser Bewertung sinnvoll nutzt.

  1. Worauf richtest du deinen Fokus?
  2. Welche Bewertung gibst du dem?
  3. Was tust du daraufhin?

Es ist deine Entscheidung, welche Erfahrung du machen möchtest.

4 Gedanken zu „Warum du bestimmst, welche Erfahrungen du machst“

  1. Liebe Bettina,

    „Nicht die Erfahrungen machen uns Menschen, sondern wir Menschen machen unsere Erfahrungen“

    Ich stimme dieser Aussage absolut zu und weiß auch zugleich, dass es sehr viele Menschen da draußen gibt, die sagen würden:

    „Aber wenn ICH meine Erfahrungen mache, würde ich mir das aussuchen können und so vieles aus meiner Vergangenheit habe ich mir nicht ausgesucht. Es ist mir wiederfahren. Es ist mir passiert.“

    In deinem Artikel gelingt es dir wirklich schön den Fokus vom „Das Leben passiert mir und ich bin der Leid-tragende“ auf den Fokus des selbstbestimmten, reflektierten Menschen zu legen, der autonom und bewusst entscheidet und vor allem jederzeit entscheiden darf!

    Alles Liebe dir,
    Tatjana

    Antworten
    • Liebe Tamara,

      herzlichen Dank für deinen Kommentar und deine lieben Worte. Ich stimme dir zu. Es gibt sicher viele Menschen, die dem nicht zustimmen können oder wollen. Vielleicht noch nicht.

      „Entscheiden darf“, das hast du schön formuliert und genau darum geht es. Wir haben so viel Macht bekommen, nur wissen es viele nicht. Unsere Entscheidungsfreiheit ist ein ganz großes Geschenk, das wir nutzen dürfen, ja sogar sollen.

      Alles Liebe für dich
      Bettina

  2. Liebe Bettina,

    und noch so ein wertvoller Artikel, in dem du genau die Dinge auf den Punkt bringst. Du beschreibst genau das, was bei mir früher immer das Problem war. Ich habe mich als Opfer meines Lebens gesehen und als jemanden, den das alles passiert. Aber ich habe nie darüber nachgedacht, dass ich diejenige bin, die das alles ändern kann. Jetzt wo ich mein Leben selbst versuche in die Hand zu nehmen und Erfahrungen mit den Entscheidungen mache, die ich treffe, fühlt sich das Leben viel einfacher an. Denn ich bin kein Opfer mehr meiner Vergangenheit, aber das musste ich erstmal klar bekommen und die Tatjana, die ebenfalls kommentiert hat, hat mir mit genau den oben im Kommentar angeführten Worten die Augen geöffnet.

    Früher dachte ich immer wie ungerecht das Leben zu mir ist und warum das alles mir passiert. Aber wer nur negativ denkt und Angst hat zieht immer wieder diese negativen Gefühle und die Angst in seinem Leben.

    Bei deinem Zitat: „Nicht die Erfahrungen machen uns Menschen, sondern wir Menschen machen unsere Erfahrungen“, stimme ich nur zum Teil ein. 😉 bzw. denke ich, ist es ein Wechselspiel. In primäre Linie treffen wir für die vorliegenden Situationen jedes Mal aufs Neue eine Entscheidung und aus dieser Entscheidung resultieren Erfahrungen. Diese Erfahrungen formen uns wiederum als Menschen, in dem sie uns wachsen lassen. Da ist die Frage nach der Henne und dem Ei. Aber ich denke grundsätzlich hast du schon recht. 🙂
    Ein sehr interessanter Ansatz.

    Was du zum Thema fokussieren, bewerten und daraus machen schreibst, da kann ich nur voll und ganz zustimmen. Wie oft habe ich den Fokus auf das negative gerichtet, es als ganz schlimm bewertet und mich darin verrannt. Meistens konnte ich dann auch nicht sagen, was ich damit machen will. Bzw. wusste ich was ich gerne anders hätte, aber das handeln hat gefehlt. Ich glaube jeder Mensch braucht jemanden, der einen dann mal so richtig in den Po tritt, wenn man nicht alleine aus seinen Mustern kommt, dir manchmal echt hartnäckig sein können.
    So ging es mir ganz oft, ich war nur noch in meinem Muster, was anderes kannte ich nicht. Als ich dann erkannte wie schön es ist selbst Entscheidungen zu treffen und mein Leben selbst in die Hand zu nehmen, lernte ich zu leben.

    Ich habe noch einen harten und weiten Weg vor mir, aber hart = herausfordernd. Ich nehme die Erfahrung an, öffne mich dafür, sehe jede Hürde als chance (zumindest probiere ich es) und bin entschlossen so weiter zu wachsen und meinen Weg zu finden!

    Ich danke dir für diesen wertvollen Artikel!

    Herzlich,

    Jenny

    Antworten
    • Liebe Jenny,

      wie schön zu lesen, dass du die Eigenverantwortung für dich und dein Leben übernimmst. Denn in dieser Verantwortung liegt die Macht und Möglichkeit, dir das Leben zu erschaffen und führen, das du führen willst. Vielen Dank für deine Gedanken bezüglich der Henne und dem Ei 😉 Vielleicht habe ich mich auch nicht ganz verständlich ausgedrückt. Wir können nicht immer aussuchen, was uns wiederfährt. Aber wie wir mit dem umgehen, was uns wiederfährt, das liegt an uns. Und aus diesem Umgang geht für mich die Erfahrung hervor. Das Ereignis an sich ist noch keine Erfahrung. Die Erfahrung geht erst mit der Wertung dieses Ereignisses und dem daraufhin resultierenden Verhalten hervor.

      Wie schön, dass du „hart“ mit „herausfordernd“ umschreibst. Denn wenn du einen Weg als hart definierst, wird er hart werden. Das Leben ist immer nur so schwer oder leicht, wie wir es nehmen. Deswegen habe ich gelernt, solche Formulierungen zu vermeiden und so wie du, mit anderen, schöneren, leicheteren Worten zu umschreiben. Das kann einen großen Unterschied machen.

      Ich wünsche dir viel Freude auf deinem herausfordernden Weg 🙂
      Liebe Grüße
      Bettina

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