Angst vor Nähe? – Bindungsangst erkennen und überwinden

5. November 2022

Menschen mit Bindungsangst fällt es schwer, sich auf andere Menschen einzulassen. Sie haben in ihrer Vergangenheit sehr negative Erfahrungen mit engen Bindungen gemacht und wollen sich deshalb vor ihnen schützen.

Die Betroffen wissen dabei selten um ihre Angst und deren störender Einfluss auf ihre Beziehungen. Häufig sehnen sie sich sogar nach einer erfüllenden Partnerschaft, die sich einfach nicht zu erfüllen scheint.

Auch mich betrifft diese Angst, ohne dass mir das bewusst war.

In diesem Artikel erfährst du unter anderem, woran du Bindungsangst erkennst, welche Erfahrungen sie verursachen und wie du sie überwinden kannst.

Was ist Bindungsangst?

Von Bindungsangst spricht man, wenn Menschen Angst davor haben, sich emotional und verbindlich auf eine Beziehung einzulassen.

Bindungsangst wird meist auf Partnerschaften bezogen. Sie kann sich aber auch in anderen Beziehungen, wie Freundschaften, bei Geschwistern oder in Geschäftsbeziehungen zeigen, bei denen eine fehlende, innere Bereitschaft vorherrscht, sich zu öffnen oder zu dieser Beziehung zu bekennen.

Bindungsangst kann in ihrer Ausprägung sehr unterschiedlich sein. In hohem Maße kann sie sich als als Bindungsphobie zeigen, bei der jegliche Verbindlichkeit (auf eine exklusive Partnerschaft) abgelehnt wird.

Bindungsangst ist eine erlernte Schutzfunktion, die zum Ziel hat, sich vor emotionalen Schmerz sowie den Abhängigkeiten einer verbindlichen Beziehung zu schützen. Bindungsangst ist dabei wie ein Deckmantel zu verstehen, unter welchem konkretere Ängste liegen, wie die Angst vor Vereinnahmung, die Angst vor Zurückweisung oder die Angst vor Verlust.

30 Anzeichen für Bindungsangst

Bindungsangst kann sich vielfältig zeigen. Im Kern geht es (unbewusst) darum, Abstand und Distanz zu einem Menschen zu schaffen, um die Nähe und Abhängigkeit zu ihm zu vermeiden.

Mögliche Symptome für Bindungsangst:

  1. Kurze (und häufige) Partnerschaften
    Du hattest schon Beziehungen, wirklich lange hat jedoch keine gehalten.
  2. Trennungen gehen von dir aus
    Dich hat selten jemand verlassen.
  3. Immer an den falschen Partner geraten
    Jene Partner, die es selbst nicht ernst meinen oder aus anderen Gründen „nicht verfügbar“ sind.
  4. Ewige Suche nach „dem perfekten Partner“
    Wie passend ein Mensch auch erscheinen mag: du findest immer etwas, was eine Beziehung für dich unmöglich macht.
  5. Plötzlicher Rückzug
    aus zuvor engem Kontakt. Im extremsten Fall „Ghosting“, bei dem jeder Kontakt ohne Vorankündigung abrupt und radikal beendet wird.
  6. Kurzfristige Absagen
    von Verabredungen kommen bei dir häufiger vor. Sobald ein Treffen nahe rückt, wird es dir zu viel oder du fühlst dich nicht danach.
  7. Misstrauen in eine Partnerschaft
    Du glaubst nicht an eine dauerhafte Partnerschaft oder gar die wahre Liebe. Wenn du eine Beziehung eingehst, denkst du oft insgeheim, dass das bestimmt eh nicht hält.
  8. Wenig Selbstvertrauen
    Du fühlst dich oft minderwertig und kannst schwer glauben, dass jemand mit dir zusammen sein will. („Wann merkt er endlich, dass ich doch nicht so toll bin?“)
  9. Kritiksucht
    In einer Beziehung fallen dir nach der schönen Anfangszeit immer mehr Fehler an deinem Partner auf, die du ihm vorhältst. Er kann es dir selten recht machen.
  10. Neigung zur Kontrolle
    Du hast in vielen Dingen klare Vorstellungen und bist wenig bereit für Kompromisse. Am liebsten ist es dir, wenn sich dein Partner dir anpasst. Das erreichst du auch oft.
  11. Starkes Bedürfnis nach Freiheit
    Du brauchst viel Freiraum. Das erwähnst du – in all deinen Beziehungen – sehr häufig und sehr deutlich.
  12. Häufiges Gefühl der Einengung
    Du fühlst dich schnell eingeengt. Auch hinter unscheinbaren Fragen hörst du schnell den drohenden Verlust deiner Freiheit heraus.
  13. Zu viel Liebe überfordert dich
    Wenn dich jemand mit seiner Liebe (oder Geschenken) überschüttet, fühlst du dich schnell unwohl. Du befürchtest, nicht würdig zu sein oder nicht das gleiche Maß zurückgeben zu können.
  14. Ständige Anpassung
    Wenn du mit jemandem zusammen bist, neigst du stark zur Anpassung. Du achtest mehr darauf, was der andere möchte, als deine eigenen Wünsche zu beachten.
  15. Hemmungen und Schamgefühl
    Du hast große Angst vor der Meinung anderer Menschen und möchtest gefallen. Kritik nimmst du schnell persönlich. Sie löst leicht Wut, Schuld oder Scham aus.
  16. Vermeidung von körperlicher Nähe
    Intimität, (Sex) und körperliche Nähe vermeidest du zunehmend, sobald die Beziehung stabil wird. Es löst Unwohlsein und Schamgefühle aus.
  17. Beziehungsaufbau fällt schwer
    Du kommst in Kontakt mit vielen Menschen, aber Freundschaften ergeben sich daraus selten. Falls doch, sind sie nicht von dir initiiert.
  18. Nicht zugehörig fühlen
    Du fühlst dich in Gruppen oft nicht zugehörig. Auch allgemein selten eingebunden. Andere Menschen verunsichern dich leicht, weswegen du lieber für dich bleibst.
  19. Wenig enge und langjährige Freundschaften
    befinden sich in deinem sozialen Netzwerk. Die Freundschaften von früher haben sich aufgelöst, neue sind nicht entstanden.
  20. Oberflächliche Kontakte
    Die Kontakte, die du hast, sind eher oberflächlich. Zumindest von deiner Seite aus. Du gibst wenig von dir preis, hörst mehr zu, als dass du dich mitteilst.
  21. Keine Liebe spüren
    Du empfindest keine tiefe Liebe für deinen Partner. Du magst ihn natürlich sehr, aber es ist, als würde etwas Bedeutsames an Gefühl fehlen.
  22. Wenig Gefühl für andere
    Auch für Freunde und Familie empfindest du wenig. Als würde dir niemand wirklich etwas bedeuten. Du sehnst du dich nach dem Verbundenheitsgefühl, doch es stellt sich nicht ein.
  23. Stark ambivalente Gefühle
    Du spürst starke Sehnsucht nach Nähe, die dir dann schnell zu viel ist. Genauso schwanken deine Gefühle zum Partner. Mal bist du dir mit ihm sicher, dann nicht mehr.
  24. Neigung zu On-Off-Beziehungen
    Die widersprüchlichen Gefühle können sich auch in häufigen On-Off-Beziehungen zeigen.
  25. Keine Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit
    Händchenhalten, Küsse oder Umarmungen in der Öffentlichkeit lehnst du ab. Sollte es doch mal dazu kommen, fühlst du dich sehr unwohl dabei.
  26. Vermeidung von Verbindlichkeiten
    Du vermeidest es, dich zur Beziehung zu bekennen oder über gemeinsame Zukunftspläne zu sprechen. Allgemein fällt es dir schwer, Absprachen zu treffen.
  27. Flucht in die Geschäftigkeit
    Für Verabredungen hast du oft keine Zeit, weil Arbeit oder Hobbys wichtiger sind. Auch Familientreffen gehst du mit diesem Vorwand aus dem Weg.
  28. „Ich brauche niemanden“
    Du bist der Überzeugung, keinen (Partner) zu brauchen. Du vermeidest Abhängigkeiten zu anderen Menschen und strebst stark nach Eigenständigkeit.
  29. Keine Schwäche zeigen
    Dir fällt es schwer, deine Gefühle mitzuteilen und Schwäche zu zeigen. In verletzlichen Momenten tauchst du am liebsten ab und erscheinst erst wieder, wenn du in deiner Kraft bist.
  30. Du bleibst nie lange
    Wohin es dich auch verschlägt, du hältst es meist nie lange wo aus. Auch bei keinem Arbeitgeber. Als wärst du ständig auf der Suche nach dem passenden Platz.

Welche konkreten Anzeichen ein Mensch mit Bindungsangst zeigt, hängt stark damit zusammen, wie ausgeprägt die Bindungsangst bei ihm ist und welcher Bindungstyp er ist.

Verschiedene Bindungstypen

In der Psychologie werden unter Bindungsängstlichen zwei Bindungstypen unterschieden:

Der ängstliche/ambivalente Bindungstyp. Er wünscht sich Liebe und tiefe Verbindung, hat aber zeitgleich große Angst vor Verletzungen. Dadurch ist er sehr unsicher und zweifelnd im Kontakt mit anderen Menschen, neigt stark zur Anpassung. Er ist emotional vom Partner abhängig. Dieser Typ geht häufiger Partnerschaften ein. Dort kommt er jedoch stark mit seinen Ängsten in Kontakt, weswegen er sich oft zurückzieht, distanziert oder auch trennt.

Der vermeidende Bindungstyp. Er wirkt nach außen hin selbstsicherer, als er in Wahrheit ist. Sein eigenes Nähebedürfnis hat er verdrängt, sodass er es oft selbst kaum wahrnimmt. Dadurch verspürt er vorerst auch keine Bindungsängste. Er vermeidet Nähe und verbindliche Partnerschaften aus der Überzeugung heraus, sie nicht zu brauchen oder ohne sie besser dran zu sein.

Lange Zeit unentdeckt

Für den Betroffenen selbst kann die Bindungsangst lange Zeit unentdeckt bleiben, weil ihm sein eigenes Verhalten so natürlich erscheint (er war schon immer so) oder weil er die Probleme im Außen verortet.

Meist wird die Bindungsangst erst dann vom Betroffenen erkannt, wenn er – oft in einer Partnerschaft oder bei der Partnersuche – wiederholende Muster und Probleme erkennt und beginnt, den Blick auf sich selbst und seinen möglichen Anteil daran zu richten.

Bei der Recherche nach Antworten stoßen Fragende oft auf das Thema Bindungsangst – und die einzelnen Puzzleteile (Warum bin ich so sprunghaft in meinen Gefühlen? Wie finde ich den richtigen Partner? Warum gerate ich immer an die falschen?) ergeben plötzlich ein sehr schlüssiges Gesamtbild.

Ähnlich wie bei der Hochsensibilität kann die Erkenntnis der Bindungsangst Erleichterung verschaffen. Oft löst sie aber auch Entsetzen aus, weil der Betroffene schockiert davon ist, welche tiefen Ängste ihn prägen und wie sehr sie ihn bisher davon abgehalten haben, tiefe Beziehungen zu führen.

Verletzendes Verhalten

Das Verhalten von Menschen mit Bindungsangst mag sehr egoistisch erscheinen und kann für die (potentiellen) Partner mitunter auch sehr verletzend sein. Dennoch ist – zumindest im unbewussten Zustand – das Verhalten meist nicht böswillig beabsichtigt.

Die Betroffenen leiden oft selbst intensiv unter ihrem Verhalten und den Auswirkungen auf die ihnen nahestehenden Menschen. Da sie die Ursachen für ihr Verhalten oft nicht kennen, verzweifeln sie häufig auch an sich, an ihrer Beziehungsfähigkeit und der fehlenden Aussicht auf eine dauerhafte Partnerschaft, die ihnen Liebe, Geborgenheit und Sicherheit schenkt.

Damit soll verletzendes Verhalten keineswegs entschuldigt, sondern nur besser verständlich gemacht werden. Das Wissen und Verstehen der eigenen Bindungsangst ist notwendig, um das Verhalten nachhaltig verändern zu können.

Wie entsteht Bindungsangst?

Die Ursachen für Bindungsangst können vielfältig sein. Oft sind sie in der Kindheit zu finden, weil dort das Bindungsverhalten erlernt und auch das Selbstwertgefühl entwickelt wird. Dieses hängt eng mit der Bindungsfähigkeit zusammen.

Lass mich das genauer erklären:

Ein Kind braucht seine Eltern, um überleben zu können, das weiß es instinktiv. Deswegen wird es alles dafür tun, um diese Verbindung und Fürsorge zu sichern.

Wenn ein Kind nun ausreichend die Erfahrung macht, dass es hier auf der Erde und bei seinen Eltern willkommen ist, beschützt ist und liebevoll versorgt wird, erlebt es enge Beziehungen als sicher, nährend und sich selbst als liebenswert.

Wenn ein Kind jedoch die Erfahrung macht, dass es unerwünscht, alleingelassen oder vernachlässigt wird, erlebt es enge Bindungen als unsicher, schmerzhaft oder gar gefährlich – und kann daraufhin eine Bindungsangst entwickeln.

Aber auch im Jugend- und Erwachsenenalter können einschneidende Ereignisse mit nahestehenden Menschen Bindungsängste auslösen.

Häufige Ursachen für Bindungsangst

Eine negative Bindungserfahrung kann sehr früh entstehen, zum Beispiel durch die direkte und längere Trennung von der Mutter nach der Geburt (in einen Brutkasten).

Aber auch durch Eltern(-teile), die emotional sehr kühl und distanziert ihrem Kind gegenüber sind, die es spürbar ablehnen, verletzen, missbrauchen, vernachlässigen, es oft alleine oder anderen Menschen überlassen, kann eine tiefe Verunsicherung entstehen.

Ebenso kann das Gefühl, von den Eltern „übersehen“ und nicht wahrgenommen zu werden zu Bindungsangst führen und im Kind die Überzeugung entstehen lassen, als Mensch und für seine Mitmenschen „nicht existent“, nicht wichtig, wertvoll und richtig zu sein.

Auch der Verlust einer geliebten Bezugsperson in jungen Jahren oder – im späteren Leben – das Verlassen-werden von der „großen Liebe“ kann Grund dafür sein, dass sich ein Mensch nicht mehr voll und ganz auf eine Person einlassen will. Der mögliche Schmerz ist einfach zu groß.

Doch nicht nur Vernachlässigung und Verlust, auch das Gegenteil kann Ursache für Bindungsangst sein:

Überfürsorgliche Eltern, die ihre Kinder mit ihrer Zuwendung regelrecht erdrücken und ihnen keinerlei Raum für eigene Wünsche, Bedürfnisse und Entwicklungen lassen. Das Kind fühlt sich eingeengt und gezwungen, die Erwartungen der Eltern zu erfüllen, auch wenn diese ihm nicht entsprechen.

Übertriebener Ehrgeiz oder hohe Erwartungen an das Kind, können diesem das Gefühl geben, dass es nur dann geliebt wird, wenn es „optimal“ funktioniert. Bedingungslose Zuneigung kennt es nicht und kann auch nur schwer das Vertrauen in sie entwickeln.

Kinder von psychisch kranken Elternteilen (Alkoholsucht, starke Depression, Narzissmus) müssen oft früh viel Verantwortung (für den Elternteil) übernehmen. Sie erleben in dieser engen Beziehung, dass sie sich kümmern müssen, verantwortlich sind und sich anpassen müssen, um die Eltern zufriedenzustellen.

Diese enge Bindung bedeutet für das Kind den Verlust der Autonomie, die Unterdrückung seiner Bedürfnisse und fehlender Raum zur Entfaltung seiner Persönlichkeit.

Eine solche negative Beziehungserfahrung kann natürlich auch im Erwachsenenalter entstehen, zum Beispiel durch eine mehrjährige Partnerschaft mit einem narzisstisch veranlagten Menschen.

Wie du siehst, gibt es viele Gründe für Bindungsangst. Ihr liegt immer eine oder mehrere einschneidende und hochschmerzhaft erlebte Erfahrungen zu Grunde. Diese können in der Kindheit, aber auch im Jugend- oder Erwachsenenalter stattgefunden haben. Wer nach Ursprüngen in seiner eigenen Biografie sucht, wird oft schnell fündig werden.

Hochsensible Menschen und Bindungsangst

Bindungsfähigkeit und Selbstwertgefühl hängen eng zusammen, weil beides abhängig voneinander entsteht. Unter diesem Aspekt wird auch klar, warum hochsensible Menschen oft vermehrt unter Bindungsangst leiden.

Eine verkannte oder missachtete Hochsensibilität in der Kindheit hat zur Folge, dass sich das Kind mit seinen außergewöhnlichen Bedürfnissen nicht wahrgenommen, ernstgenommen und nicht geliebt fühlt als der Mensch, der er ist. Die Folge ist ein tief eingeprägtes Minderwertigkeitsgefühl.

Durch das empfindsame Wesen, das hochsensible Menschen haben, werden solche (unbewussten) Missachtungen und emotionalen Vernachlässigungen oft besonders schmerzhaft erlebt. Das wiederum verstärkt die Angst vor einer erneuten Verletzung – und damit die Bindungsangst.

Zeitgleich besteht in Hochsensiblen – wie auch in jedem Menschen – die große Sehnsucht nach Liebe und Verbundenheit. Und damit einhergehend auch häufig das Paradox eines großen Bindungswunsches und einer großen Bindungsangst.

Trigger – So wird Bindungsangst ausgelöst

Bindungsangst kann, wie bereits erwähnt, lange Zeit unentdeckt bleiben, weil die Betroffenen unbewusst Strategien entwickelt haben, um mit der Angst nicht in Kontakt zu kommen.

Auch bei mir war das der Fall.

Ich bin jahrzehntelang unbewusst – dafür erfolgreich – jeglichen Triggern aus dem Weg gegangen (viel Freiraum brauchen, viel mit mir selbst ausmachen, wenig Menschen an mich heranlassen, Treffen wage halten, in die Arbeit flüchten). Erst beim Kennenlernen meines Partners kamen die Bindungsängste ans Licht.

Doch auch in einer Partnerschaft kann die Bindungsangst lange im Verborgenen bleiben. Wer irgendwann („versehentlich“) beginnt, einen Menschen wirklich nahe an sich heranzulassen, kann damit die Angst auslösen.

Bindungsangst wird immer dann getriggert, wenn es verbindlich, sehr persönlich oder emotional eng werden könnte.

Je nach Ursache und Ausprägung der Bindungsangst, können die Auslöser sehr unterschiedlich sein. Für manch einen ist es das Händchenhalten, Intimität und Berührungen in der Öffentlichkeit, die ihn plötzlich in Panik versetzen.

Bindungsangst

Für manch anderen ist es die Planung des ersten gemeinsamen Urlaubs, die Frage nach dem Zusammenziehen oder die Vorstellung einer möglichen Hochzeit.

Auf Druck reagieren Bindungsängstliche besonders empfindlich. Wenn der (potentielle) Partner zum Beispiel verlangt, sich zur Beziehung zu bekennen, eine klare Entscheidung zu treffen oder anderweitig Forderungen oder Wünsche an die Beziehung stellt, kann das im Bindungsängstlichen Panik erzeugen.

Auch Kritik oder Vorwürfe dem Bindungsängstlichen gegenüber wie: „Jetzt zieh‘ dich nicht immer zurück!“ „Sag endlich auch mal, was du darüber denkst!“ „Pass dich nicht immer nur mir an!“ , können die Angst triggern.

Auch wenn der Bindungsängstliche nicht genügend Freiraum vom Partner bekommt (oder sich diesen nicht selbst zugesteht), kann es irgendwann zu viel für ihn werden und die Angst in ihm hochkochen.

Schutzstrategie: Flucht, Angriff oder Erstarrung

Ist der Trigger aktiv, fühlen sich die Betroffenen akut bedroht und zeigen Reaktionen der Angst. Oft sind sie selbst überwältigt von ihren eigenen Gefühlen (der Ohnmacht und Hilflosigkeit) und handeln nur noch instinktiv aus der Angst heraus. Durch Flucht, Angriff oder Erstarrung versuchen sie, der Situation zu entkommen.

Vielleicht kennst du eine der Angst-Reaktionen von dir:

Du ziehst dich innerlich schlagartig zurück und fühlst dich wie erstarrt. Du bist kaum fähig, dich nach außen hin zu öffnen, sprichst nicht und wirkst wie „nicht anwesend“. Du wünschst dir nichts sehnlicher, als der Situation zu entkommen. Auf andere wirkst du verschlossen und nicht zugänglich.

Wenn Flucht möglich ist, dann haust du vielleicht tatsächlich ab. Möchtest deinen Partner nicht mehr sehen, hören, sprechen und tauchst erst mal unter. In der Anfangsphase einer Beziehung kann das auch im Ghosting enden.

Eine Form von Angriff könnte sein, dass du beginnst, deinen Partner zu kritisieren. Du wirfst ihm vor, dass er dich (bei so einem Verhalten) überhaupt nicht lieben würde oder vielleicht sogar verlassen will. Du stellst die Beziehung – den Partner, als auch dein Gefühl zu ihm – in Frage.

Die Partner von Bindungsängstlichen handeln in der Regel nicht böswillig und beabsichtigt. (Sie sind oft selbst überfordert von den Reaktionen, die sie auslösen, fühlen sich schuldig und stark verunsichert.) Für den Menschen mit Bindungsangst fühlt es sich in diesem Moment jedoch so an. Er glaubt, der Partner verletze ihn absichtlich. Er sieht die Situation auch meist viel dramatischer, als sie in Wirklichkeit ist.

Der Bindungsängstliche kann in seinem akuten Gefühl der Angst nicht mehr rational denken. Er ist in den Schmerz seiner Vergangenheit – und in seine damalige, hilflose Position – zurückversetzt – und möchte ihr entkommen.

Der Weg hinaus wird vielleicht schon deutlich: Aus der kindlichen, hilflosen Rolle hinauswachsen und die erwachsene, handlungsfähige Person sein, die man heute ist.

6 Möglichkeiten, um Bindungsangst zu überwinden

Folgende Tipps helfen dir dabei, dein Herz zu öffnen und deine Bindungsangst zu überwinden.

1. Annehmen der Angst

Das Wissen um Bindungsangst kann Widerstand, Verzweiflung und Scham auslösen. Oft will man sie einfach nur weghaben. Doch ohne die Akzeptanz deiner Angst, kannst du sie nicht überwinden. Denn der Weg hinaus führt durch den Schmerz.

Das Annehmen kann manch verzweifelte Träne und dunkle Stunde beinhalten. Lass es zu und gib dir Zeit, um dich an die Tatsache zu gewöhnen. Das Gute ist: Dort, wo eine Ursache erkennbar ist, öffnet sich der Weg für Lösungen. Entwickle Dankbarkeit dafür. Richte dich auf dieses Licht aus und halte an ihm fest. Du stehst bereits auf dem Weg, der in die Liebe führt.

2. Offen sein und Zeit beim Beziehungsaufbau lassen 

Wenn du in einer Partnerschaft bist: Sprich mit deinem Partner über deine Bindungsangst. Nicht um dein Verhalten zu entschuldigen, sondern damit er es verstehen kann. In einer Partnerschaft brauchst du zwingend die Unterstützung deines Partners, um deine Bindungsangst überwinden zu können.

Wenn du nicht in einer Partnerschaft bist: Lass dir Zeit beim Aufbau davon. Achte darauf, wann dir Nähe zu viel wird und erlaube dir dein Tempo, um dich einzulassen. Teile dich auch hier mit. Du musst nicht gleich von Bindungsangst sprechen. Es reicht auch wenn du sagst „Mir fällt es etwas schwer, mich auf eine neue Beziehung einzulassen. Ist es okay, wenn wir es langsam angehen?“

Auch in anderen Beziehungen wie Freundschaften oder Geschäftsbeziehungen ist es hilfreich, auf deine Gefühle zu achten und nicht vorschnell zu handeln. Du brauchst etwas mehr Zeit, um Vertrauen zu anderen Menschen zu entwickeln. Gehe daher immer den nächsten stimmigen Schritt.

3. Deine Trigger und Schutzreaktionen kennen

Finde deine persönlichen Trigger, als auch deine Reaktionen auf diese, heraus.

  • Wann fühlst du dich in deinen Beziehungen unsicher, ängstlich, eingeengt?
  • Und was ist deine typische Reaktion darauf?

Ein paar Ideen dafür hast du weiter oben im Text kennengelernt.

Wenn du deine Auslöser und Reaktionen kennst, kannst du sie im Alltag bewusster wahrnehmen und dein bisheriges Schutzverhalten stoppen: „Ah halt! Jetzt bin ich in meinem alten Muster!“. Dadurch gewinnst du Abstand zum Gefühl als auch Raum, um dich anders zu verhalten.

4. Erwachsen werden

Deine Angst und dein Schutzverhalten entspringen einer kindlichen Denkweise, die nicht mehr zeitgemäß ist. Du bist mittlerweile erwachsen und kannst für dich selbst sorgen. Anstatt mit Kinderaugen, darfst du daher nun mit Erwachsenen-Augen auf dich und die Situation blicken. Dadurch erhebst du dich in deine Handlungsfähigkeit und in deinen Wert.

Eine schnelle und einfache Übung dazu ist, deine Gedanken ins Gegenteil zu formulieren. 

Übung: Zwei-Spalten-Technik

  • Nimm dazu ein Blatt Papier und zeichne zwei Spalten ein.
  • Schreibe in die linke Spalte 1-3 deiner stärksten negativen Gedanken, die du in der Trigger-Situation hast zB: „Ich bekomme keinen Freiraum“. „Ich muss fliehen, um mich zu schützen.“
  • Schreibe in die zweite Spalte zu jedem Gedanken aus erwachsener Sicht eine rationale Begründung, warum die Annahmen aus Spalte 1 falsch ist. ZB: Mein Partner ist nicht verantwortlich für meinen Freiraum. Ich bin erwachsen und alt genug, um mir meinen Freiraum selbst zu nehmen. Ich muss es nur kommunizieren und mit ihm absprechen.
  • Formuliere den Gedanke aus Spalte 1 ins Gegenteil um. zB: „Ich nehme mir meinen Freiraum selbst.“

Aufgrund der neuen Gedanken ergeben sich auch neue Verhaltensweisen, die angemessener und sinnvoller sind.

Endlich wertvoll! – Wie du es schaffst, dich wertvoll zu fühlen und dir selbst zu vertrauen, ohne die Liebe und Bestätigung anderer zu brauchen.

5. Bereitschaft, dein Herz zu öffnen

Dich deiner Bindungsangst zu stellen erfordert Mut und sie zu überwinden deine Bereitschaft, diesen Weg zu gehen. Denn ich will ehrlich sein: Sie zu überwinden braucht Zeit. Doch weißt du was? Das ist okay! Du bist dort, wo du bist, genau richtig und hast genau die Bedingungen in deinem Leben, die für dein persönliches Wachstum und deine seelische Reifung ideal geeignet sind.

Nimm diese Einladung an. Erlaube dir, dein Herz zu öffnen – Liebe zu geben und Liebe zu empfangen. Immer wieder neu.

Wenn sich dein Herz 100 Mal verschließt, öffne es 100 Mal von neuem. Du bist auf einer bedeutsamen Reise hin zu dir selbst, wenn du dem Ruf der Liebe folgst.

Eine einfache Übung zur Unterstützung ist ein Dankbarkeitstagebuch.

Halte darin die Momente des Tage fest, in denen du Glück, Sinnhaftigkeit und Verbundenheit wahrgenommen hast. Besinne dich beim Schreiben nochmal auf diese Augenblicke und versuche, bewusst und erneut dein Herz für sie zu öffnen – wie eine Lotosblüte – und Liebe fließen zu lassen.

6. Coaching, Therapie oder Hypnose

Wenn es dir alleine schwerfällt, in eine erwachsene Denkweise zu kommen, du Kindheitserlebnisse hast, die nicht ausreichend verarbeitet wurden oder du Traumatisches erlebt hast, dann kann ein Coaching, eine Therapie oder Hypnose beim Überwinden deiner Bindungsangst sehr hilfreich sein.

Professionelle Hilfe kann deinen persönlichen Weg von der Angst in die Liebe unterstützen und dein Vertrauen in dich und deine Beziehungen schneller stärken.

Für die Heilung ist mitunter nötig, alten Schmerz anzuschauen und diesen zu integrieren. Bei der Wahl eines passenden Experten ist es daher wichtig, dass er Kenntnis und Erfahrung mit der Inneren-Kind-Arbeit (oder bei Traumata mit Trauma) hat.

Öffne dein Herz für die Liebe

Ein Mensch mit Bindungsangst hat in seinem Leben tiefgreifend erfahren, dass enge Bindungen unsicher, schmerzhaft oder gar bedrohlich sind und es daher besser ist, sich vor ihnen zu schützen. Aus diesem Grund fällt es Menschen mit Bindungsangst schwer, andere Menschen nahe an sich heranzulassen und eine verbindliche Partnerschaft einzugehen.

Oft hilft bereits das Bewusstsein über die Bindungsangst, um mit einer neuen Haltung auf andere Menschen zuzugehen und das Herz empfänglich für die Liebe zu machen.

In diesem Artikel hast du noch weitere Möglichkeiten kennengelernt, wie du mit deiner Bindungsangst umgehen und sie überwinden kannst.

Auch wenn es nicht immer leicht ist, sich diesem Thema zu stellen, lohnt es sich meiner Erfahrung nach sehr. Denn hinter all dem Schmerz und der Angst wartet auf dich das Geschenk echter Liebe, tiefer Verbundenheit und wahrer Freiheit in einer Beziehung.

In jedem Menschen wohnt ein Herz, das lieben will.
Wage dieses Abenteuer.

Erkennst du Anzeichen von Bindungsangst bei dir? Welche Fragen hast du zum Thema? Schreib mir jetzt einen Kommentar.

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