Leichter leben mit Krankheit

7. Oktober 2018

Keiner von uns ist gefeit vor ernsthaften Krankheiten. Wie gehe ich aber damit um, wenn ich eine Krankheit habe, die nicht in absehbarer Zeit aus meinem Leben verschwindet?

Unser unheilsamer Umgang mit Krankheit

Es ist nicht die Last, die dich bricht, sondern die Art, wie du sie trägst. – Hans J. Ludwig

Wir lernen meist schon früh, all das zu vermeiden, was unangenehm ist. Vor allem, wenn es um unsere Gefühle geht. Wir wollen nicht das ganze Farbspektrum fühlen, das uns ausmacht. Am liebsten wollen wir nur die kräftigen und bunten Farben in unserem Leben haben. Sobald es unangenehm, dunkel und trüb wird, flüchten wir. Das Leben ist jedoch facettenreich und zu ihm gehören die hellen, genauso wie die dunklen Farben. Ihnen aus dem Weg zu gehen bedeutet, Widerstand gegen das Leben selbst.

Krankheiten führen meist dazu, dass unsere Gefühle in das dunkle Farbspektrum wandern und wir den Weg der Vermeidung wählen. Dieser Weg der Vermeidung kann verschiedene Formen annehmen. Wenn Menschen aus unserem näheren Umfeld eine ernsthafte Krankheit haben, vermeiden wir vielleicht den Besuch. Vielleicht besuchen wir sie auch, vermeiden jedoch, mit ihnen über die Krankheit zu sprechen. Wenn die Krankheit uns selbst betrifft, tun wir oft dasselbe. Wir vermeiden das Fühlen dieser Krankheit. Wir vermeiden das Sprechen darüber. Wir wollen nicht wahrhaben, dass etwas da ist, was wir nicht haben wollen und etwas fühlen, was wir nicht fühlen wollen.

Wir wollen auch nicht wahrhaben, dass unser Körper nicht mehr gesund ist und dass dadurch vielleicht unsere Vorstellungen von unserem (weiteren) Leben ins Wanken geraten. Unsere Träume und Pläne, für die ein gesunder Körper nötig wäre. Wir Menschen neigen dazu, alles kontrollieren zu wollen. Wenn etwas nicht so läuft oder ist, wie wir es uns wünschen, dann akzeptieren wir das nur ungern. Wir haben Angst und gehen in den Kampf. Wir wehren uns, versuchen, dagegenzusteuern und die Kontrolle wieder zu übernehmen. Wenn wir nicht so vital und gesund sind, wie wir es uns wünschen, tun wir häufig trotzdem so, als wenn uns noch alles möglich wäre. Als wenn wir noch die gleiche Energie und Kraft haben, wie in einem gesunden Körper. Und dieser Kampf, den wir führen ist häufig der, der uns am meisten schwächt.

Der Prozess der Veränderung

Jeder Mensch durchläuft bei jeder Veränderung eine Entwicklungskurve. Diese Kurve beinhaltet die Phasen Schock, Verneinung, Das Tal der Tränen, Erkundung und Akzeptanz und ist unterschiedlich ausgeprägt, je nach dem, wie groß die Veränderung ist. (Ausführlicher habe ich die Kurve in diesem Beitrag beschrieben). Von diesem Verlauf und dem eigenen Standpunkt zu wissen, kann uns schon helfen, mit einer großen Veränderung oder einem einschneidendes Erlebnis wie einer Krankheit, besser umzugehen.

Widerstand ist bei jeder größeren Veränderung normal. Doch wenn wir dauerhaft im Widerstand bleiben, werden wir niemals zu innerem Frieden finden und irgendwann an dem Kampf zerbrechen.

Hingabe als Weg zu innerem Frieden

Wenn wir nicht zulassen, was ist, dann wehren wir uns gegen das Leben selbst – und diesen Kampf können wir nicht gewinnen. Selbstfürsorge bedeutet, für dein Wohlbefinden zu sorgen und Hingabe ist der Schlüssel zu diesem Wohlbefinden, weil er dir inneren Frieden schenkt. Hingabe bedeutet, die Dinge sein zu lassen, wie sie sind. Das heißt, wenn unangenehme Gefühle wie Wut, Aggression oder Trauer da sind, erlaubst du dir, diese Gefühle zu fühlen. Natürlich kannst du vom Verstand her wissen, dass es nichts bringt, wenn du dich aufregst, wenn du dich wehrst und wütend bist. Wenn du jedoch in diesem Moment nicht fähig bist, das anzunehmen und wirklich zu fühlen, dann gilt es, das Gefühl, das im Moment da ist, anzunehmen und zu fühlen. Die Wut, die Aggression oder die Trauer. Ja, ich fühle Wut. Ja, ich fühle Aggression. Ja, ich fühle Trauer.

Deine Gefühle zuzulassen ist schon ein großer Schritt zur Aussöhnung mit dir selbst und wirkt heilend. Wenn du dir diesen Schritt erlaubst, wirst du viel klarer und kraftvoller die nächsten Schritte angehen können, weil du den Widerstand aufgegeben hast und dich in den Prozess hinein begibst. Du erlaubst dir, mit dem Fluss des Leben zu schwimmen und von deiner Position aus, die nächsten Schritte in deinem Tempo anzugehen.

Krankheit als Botschafter sehen

Krankheiten sind schmerzliche Lektionen des Lebens. Sie führen dich zu dir selbst. Sie lassen dich tiefer und weicher werden und rütteln dich wach, wenn du es zulässt. Wenn du dir erlaubst, hinzuschauen. Krankheiten sind für dich, so unglaublich sich das auch anhören mag. Sie möchten dir etwas sagen.

Krankheiten sind oft Auswirkungen von unterdrückter Lebensenergie. Deiner eigenen Energie, die du (unbewusst) gegen dich gerichtet hast. Zum Beispiel in Form von Angst, die du lange in deinem Körper gehalten hast oder in Form von Stress und Ärger, den du unterdrückt oder ausgehalten hast. Gefühle sind Energie, die fließen will. Wenn sie nicht fließen kann, wirkt sie trotzdem in deinem Körper und kommt auf eine andere Art zum Vorschein. Und das kann in Form von Krankheit sein.

Führe Brieffreundschaft mit deiner Krankheit

Schreiben hilft dabei, deinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen und ist ein wertvolles Mittel zur Selbstheilung. Wenn du möchtest, lade ich dich zu einem Selbstversuch ein. Schreibe einen Brief an deine Krankheit. Stell dir vor, du könntest mit ihr kommunizieren. Was würdest du ihr sagen wollen? Was sind deine Gedanken und Gefühle? Adressiere den Brief an sie und schreibe dir alles von der Seele, was in dir vorgeht und du ihr sagen willst.

Eine Brieffreundschaft braucht immer zwei Absender und zwei Empfänger. Du ahnst es bestimmt. Nun schreibe einen Brief aus der Sicht deiner Krankheit an dich.

Nur mal angenommen, deine Krankheit ist tatsächlich deine eigene, fehlgeleitete Energie. Und nur mal angenommen, sie möchte dir etwas sagen, hat eine liebevolle und zeitgleich ernstgemeinte Botschaft an dich. Was könnte sie dir sagen wollen? Schreibe einen Brief aus der Sicht deiner Krankheit an dich. Adressiere ihn an dich und unterschreibe mit deiner Krankheit.

Was hat dieser Briefwechsel bewirkt?

Krankheit erfordert Hingabe

Um es nochmal mit den schönen Worten von Hans J. Ludwig zu sagen: Es ist nicht die Last, die dich bricht, sondern die Art, wie du sie trägst. Widerstand gegen das Leben bedeutet Leiden. Auch ein Baum, der dem Wind nicht nachgibt, zerbricht an seiner eigenen Stärke. Vielleicht ist es an der Zeit, den Kampf aufzugeben, auf gewisse Art Freundschaft mit deiner Krankheit zu schließen und dich in den Prozess hinein zu begeben, um dann – mit dem Fluss des Lebens – wieder an neue Ufer gespült zu werden.

Mögest du dich vertrauensvoll dem Leben hingeben.
Mögest du die Botschaft deiner Krankheit verstehen.
Mögest du zu einem stärkeren Selbst transformieren.

Wie gehst du mit deiner Krankheit um und was hilft dir dabei, sie leichter zu ertragen?

4 Gedanken zu „Leichter leben mit Krankheit“

  1. Liebe Bettina!
    Der Artikel hat mich als Herzinfarkt-Patienten sehr berührt. Es stimmt: Krankheit erfordert Hingabe.
    Noch nie zuvor bin ich auf die Idee gekommen, an mein Herz einen Brief zu schreiben… das werde ich definitiv tun und ich bin gespannt, was mein Herz mir antworten wird…
    Ich glaube ganz fest daran, dass die eigene konstruktive mentale Einstellung die „halbe Miete“ zur Gesundung und für einen positiven Umgang mit der Krankheit ist: je mehr ich darauf vertrauen kann, dass diese Krankheit einen Sinn und eine Botschaft für mich hat und je besser ich alle Möglichkeiten auslote, die Krankheit zu verstehen, umso mehr wird es mir gelingen, sie anzunehmen und gut damit umzugehen.
    Freilich gibt es da aber auch Grenzen: unheilbare, plötzlich auftretende, lebensbedrohliche Krankheiten können Menschen und ihre Angehörigen völlig überfordern; dann fällt es schwer, darin einen Sinn zu entdecken.
    Der kann dann vielleicht erst Jahre später auftauchen.

    Antworten
    • Lieber Hoalan,
      vielen Dank für deine Gedanken zu diesem Beitrag. Ich kann mir vorstellen, dass du durch deine Erkrankung sehr gut nachvollziehen kannst, wovon ich hier schreibe. Wie schön, dass du einen neuen Impuls mitnehmen konntest. Ich würde mich freuen, wenn du hier über deine Erfahrung zum Briefwechsel berichtest, sofern du möchtest und bereit dazu bist. Ich gebe dir recht, es gibt durchaus Grenzen und einige Krankheiten brauchen weitaus mehr Zeit, um verarbeitet zu werden, als andere Erkrankungen es tun. Vielleicht ist diese Frage dann, wie du sagst, einfach nicht jetzt an der Zeit, beantwortet zu werden, sondern in ein paar Jahren. Auch rückblickend kann das sehr erkenntnisreich sein und einem zu mehr innerer Stärke verhelfen.
      Alles Liebe für dich
      Bettina

  2. Liebe Bettina,
    ich habe Dir ja schon ein Rückmeldung gegeben und erst jetzt gesehen, dass ich hier auch antworten kann. Nach meiner Anregung (bin selbst erkrankt), Du möchtest doch bitte mal zu diesem Thema einen Kommentar schreiben, habe ich mich sehr gefreut, dass Du das so schnell umgesetzt hast. Ich glaube auch, dass man erst mal lernen muss, die Krankheit anzunehmen und dann versuchen sollte, die Botschaft zu verstehen(hab ich noch nicht geschafft). Das ist nicht einfach, vor allem, wenn man von heute auf morgen aus dem Leben gerissen wird und auf einmal nichts mehr so ist, wie es war. Bei mir ist der Ausbruch der Krankheit jetzt 2 1/2Jahre her und so langsam lerne ich, das Positive, was daraus resultiert zu sehen. Ich genieße die Zeit, welche ich jetzt habe, sehe auch die Therapien, welche ich täglich absolvieren „muss“ nicht mehr als Last sondern ich freue mich jetzt, dass es diese Therapien gibt, dass ich sie machen darf und sehe die Fortschritte, welche ich damit mache. Habe gelernt zu sehen, was ich jetzt schon wieder alles kann und nicht, was noch nicht geht. Lerne auch, mich über Kleinigkeiten zu freuen und dankbar für diese zu sein, was im normalen Alltag sehr oft einfach unter geht, war jedenfalls beimir so.
    Auf meiner Suche nach Hilfestellungen, bin ich auch auf Dich gestoßen und habe mir bereits zwei Bücher, eins von Dir und eins von Deinen Vorschlägen gekauft. Ich denke, so kann jeder seinen Weg finden und es wird immer Höhen und Tiefen geben, aber es wäre schön, wenn es mehr Höhen wären und daran werde ich arbeiten.
    Viele liebe Grüße und danke für Deine tollen Blogs
    Sylvia

    Antworten
    • Liebe Sylvia,
      vielen Dank für deinen Kommentar. Sehr gerne habe ich deine Idee für einen Beitrag zu diesem Thema umgesetzt. Und wie schön zu erfahren, dass du langsam das Positive wahrnehmen kannst, das durch die Krankheit entstanden ist. Deinen Zeilen zufolge scheinst du auf einem wunderbaren Weg zu sein und ich wünsche dir von Herzen, dass du immer mehr Höhen erleben darfst und irgendwann vielleicht sogar voller Dankbarkeit auf den Prozess zurückblickst, den du durchlaufen hast.
      Ganz liebe Grüße
      Bettina

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